Letzte Worte

Worte. Hunderte davon fließen jeden Tag durch meine Finger auf die Tastatur. Formen sich zu Sätzen und werden zur Stimme für so vieles. Heute erscheint nicht eines davon angebracht. Nicht eines wird dir gerecht, mein lieber Nonno.

Va‘ dove ti porta il cuore – geh wohin dein Herz dich trägt

Susanna Tamaro

Hast du mir immer gesagt. Folge deinem Herzen. Wohin es dich leitet, da liegt deine Leidenschaft, da wirst du dein Glück finden.

Ich bin deinem Rat gefolgt. Worte, die mich zu Worten geführt haben. Zu meiner Leidenschaft, dem Schreiben. Zu meinem Beruf und dahin, wo ich heute im Leben stehe. Dafür danke ich dir von ganzem Herzen.

Die Werkzeuge dazu, habe ich vom ersten Tag an von dir bekommen. Die Liebe für den Ausdruck, das Jonglieren mit Begriffen, den Wortschatz. Wie brillant du die deutsche Sprache – und viele andere – beherrscht hast.

Ein Gespräch mit dir war ein Ausflug in eine Welt voller Bilder und Spannung. Ein Erlebnis, gespickt mit Erinnerungen und diesem enormen Wissen, dem mein kleiner Geist manchmal nur ansatzweise folgen konnte.

Storytelling nennt man das heute. „Dramatisierter Sonntagsroman“ haben deine Damen – Oma, Mama und ich – es damals genannt, um dich ein bisserl aufzuziehen. Du hast immer geschmunzelt darüber und deine nächste Erzählung noch ein wenig mehr ausgeschmückt.

Unvergessen sind die Räubergeschichten, denen ich, fest an dich gekuschelt, am frühen Morgen lauschen durfte. Gruselig, gefährlich und gleichzeitig so sicher geborgen bei dir. Wie habe ich diese Momente geliebt.

Du warst Lehrer, durch und durch. Mit Leib und Seele hast du dich dem Wunsch verschrieben, Wissen weiterzugeben. Mir und unzähligen von anderen. Du hast Lebenswege begleitet, Menschen inspiriert mit deiner Begeisterung. Mich ganz besonders.

Du warst mein Vorbild und zugleich doch immer mein geliebter Opa. Mein bester Freund. Mein Spielgefährte, mein Verbündeter.

Wie viele Runden bist du um den Spielplatz marschiert, hast uns Kinder stundenlang beim Versteckspiel gesucht und niemals gefunden. Wie viele Stunden bist du an meinem Krankenbett gesessen, bewaffnet mit einem Buch zum Vorlesen? Und selbst wenn ich müde, traurig, erschöpft oder übellaunig war, die Worte zwischen uns sind nie ausgegangen.

Werden sie jetzt versiegen? Jetzt, wo du nicht mehr da bist? Wirst du mir nie mehr von damals erzählen, vom Krieg oder wie du Oma kennengelernt hast, die Liebe deines Lebens?

Ich hoffe, es wird alles so kommen, wie in dem Gedicht, dass du mir vor 30 Jahren ins Poesiealbum geschrieben hast, denn dann werde ich eines Tages wieder deinen Geschichten lauschen. Leb wohl mein großer Held! Ich vermisse dich!

Die Schritte
Albrecht Goes

Klein ist mein Kind, dein erster Schritt
Klein wird dein letzter sein.
Den ersten gehn Vater und Mutter mit,
Den letzten gehst du allein.

Sei’s um ein Jahr, dann gehst du Kind
Viele Schritte unbewacht.
Wer weiß, was das dann für Schritte sind
Im Licht und in der Nacht.

Geh kühnen Schritt, tu tapfren Tritt
Groß ist die Welt und dein.
Wir werden mein Kind, nach dem letzten Schritt
Wieder beisammen sein.

OStR. Dr.phil. Werner Birker
30.06.1923 – 31.10.2019
Traueranzeige in der Kleinen Zeitung vom 15.11.2019

Ich muss nicht immer das letzte Wort haben, nur das beste. Das willst du auch? Dann lass mich deine Texte schreiben!

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6 Kommentare. Leave new

  • Wahnsinn, so schön, liebe Margit, und so traurig gleichzeitig und doch hoffnungsvoll. Ich spüre aus Deinen Worten, wie sehr du ihn vermisst. Mehr kann ich jetzt grad gar nicht schreiben… Liebe Grüße, Gabi

    Antworten
  • Meine Liebe,
    vielen Dank für diese berührenden Worte. Ich drück dich.

    Antworten
  • Birgit Salomon
    15. November 2019 17:57

    Liebe Margit,

    ich schreibe dir als ehemalige Arbeitskollegin, die eben erst entdeckt hat, dass uns mehr verbindet als dein ehemaliger Arbeitgeber. Dein Nonno war „mein“ Lehrer und ich möchte dir aus tiefstem Herzen mein Beileid aussprechen und deine Worte „Du warst Lehrer durch und durch. Mit Leib und Seele“ an dieser Stelle bekräftigen, bestätigen und rot unterstreichen.

    Dein Großvater hat meine Beziehung speziell zur deutschen Sprache sehr geprägt und ich bin ihm heute noch unglaublich dankbar dafür. In Italienisch habe ich ihn leider zu kurz gehabt um auch hier von seiner ganz eigen Begeisterung angesteckt zu werden – in diesem einen „Birker-Jahr“ habe ich im Übrigen mehr gelernt als in den drei darauf folgenden …..

    Noch heute zucke ich zusammen wenn jemand „bräuchte“ sagt, denn der Konjunktiv von brauchen heißt korrekt „brauchte“ (das hat uns dein Großvater liebevoll aber beständig ins Sprachzentrum eingraviert: „Man sagt ja auch nicht:“ Wenn ich jetzt eine Zigarette hätte räuchte ich sie“), ich kenne heute noch alle Präpositionen die den 3., 4., … Fall verlangen („Wenn ich euch um drei in der Früh aufwecke und frage welche Präpositionen verlangen den 3. Fall, dann müsst ihr ohne Zögern antworten können: ..“) sowie unzählige Grammatik-Merksätze und „Zauberlehrling“, „Erlkönig“ und zahllose andere Gedichte und Balladen kann ich nach wie vor problemlos rezitieren.

    Ich habe seinen Unterricht geliebt! Er war ein hervorragender Didakt, der mir die Augen geöffnet hat, für die Schönheit und Macht des gesprochenen wie geschriebenen Wortes. Er war streng und manche haben sich ein bißl vor ihm gefürchtet (speziell die, die ihn selbst gar nicht als Lehrer hatten; er war halt noch einer „vom alten Schlag“) , aber immer gerecht und voller Anteilnahme für den Menschen hinter dem Schüler/der Schülerin (ob ihm allerdings „gendern“ gefallen hätte … ich tu`s trotzdem und er möge mir verzeihen). Ich kann also nur bestätigen was in der Traueranzeige steht „seine Liebe und Fürsorge galt auch seinen Schülern und Schülerinnen“.

    Sei umarmt liebe Margit und danke für deine wunderbaren Worte!

    Antworten
    • Liebe Birgit,

      Du hast es geschafft: Jetzt fehlen mir tatsächlich die Worte 🙂
      Was du schreibst, berührt mich sehr. Ich habe meinen Großvater ja immer nur von der privaten Seite gekannt, seine Lehrer-Seite kannte ich nur aus Erzählungen. Er hat seinen Beruf so sehr geliebt und ist dennoch einige Jahre früher in Pension gegangen, als ich auf die Welt gekommen bin. Denn er wollte seine Tochter unterstützen und für mich da sein. Das war glaube ich ein sehr schwerer Schritt für ihn, aber er hat niemals auch nur ansatzweise deswegen ein schlechtes Wort darüber verloren.

      Mit seiner Liebe und Leidenschaft für die Sprache hat er mich vom dem Moment an angesteckt, als wir sprachlich miteinander kommunizieren konnten. Die Strenge hat er übrigens bei mir völlig abgelegt. Wenn es ums Schimpfen gegangen ist, hat er das immer an meine Mama delegiert, die Arme hatte es nicht immer leicht mit uns zwei 😉

      Es ist so wunderschön zu lesen, dass dieser „hervorragende Didakt“, wie du ihn bezeichnest, dich mit seiner Begeisterung angesteckt hat und er zu den Menschen gehört, die eine Spur in deinem Leben hinterlassen haben. Danke von Herzen, dass du mich daran teilhaben lässt.

      Alles Liebe
      Margit

      Antworten

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